Blickkontakt

Unsere Blicke kreuzen sich. Natürlich tun sie das. Immerhin bin ich in einem Café, möchte Kaffee bestellen und dafür sucht man nun mal nach Blickkontakt mit der Kellnerin. Aber es gibt Blickkontakt und es gibt Blickkontakt. Diese eine zehntel Sekunde, wenn der Blick ein wenig interessierter, ein wenig intensiver ist als sonst. Unsere Blicke kreuzen sich also, die zehntel Sekunde fühlt sich an wie eine kleine Ewigkeit. Einerseits. Andererseits ist sie so flüchtig, so schnell vorüber, dass ich mich frage ob sie denn wirklich geschehen ist. Oder ob mein Wunschdenken mit mir durchgeht. Die Kellnerin kommt auf mich zu, nimmt meine Bestellung auf. Einen Verlängerten. Schwarz. Ich flüchte mich in mein Buch, vertiefe mich um meine Unsicherheit zu verdecken. Sie bringt den Kaffee. Wieder dieser Blick, einen Augenblick zu lang. Irritation, vielleicht auch Interesse flackert in ihren Augen. Wieder schützten mich die Wörter in meinem Buch vor weiteren Gedanken und meiner für mich so untypischen Schüchternheit. Sekunden und Minuten reihen sich aneinander, die zehntel Sekunde scheint in ihnen so unwichtig, dass sie mir nicht mehr real vorkommt. Sie verliert sich innerhalb ihrer Schwestern, die ihr so sehr gleichen und doch von völlig anderer Wichtigkeit sind. Ich trinke aus. Noch ein, zwei Mal haben sich unsere Blicke gekreuzt. Noch immer vermischt sich Irritation mit Interesse, weiß ich nicht wie ich den Blick deuten soll. Ich zahle. Unsere Blicke treffen sich ein letztes Mal. Wieder um diesen Augenblick zu lange. Und dann bin ich draußen, vor dem Café. Und werde nie erfahren ob es Irritation war, oder doch Interesse.